Der Erwartungswert ist ein zentrales Konzept in der Wahrscheinlichkeitsrechnung und Statistik. Er gibt den Durchschnittswert an, den man bei unendlich vielen Wiederholungen eines Zufallsexperiments erwarten würde. Der Erwartungswert wird auch als Mittelwert oder Erwartung bezeichnet und ist ein Maß für die zentrale Tendenz einer Zufallsvariablen.
Der Erwartungswert einer diskreten Zufallsvariablen (X) mit den Werten $(x_1, x_2, \ldots, x_n)$ und den zugehörigen Wahrscheinlichkeiten $(p_1, p_2, \ldots, p_n)$ ist definiert als:
$E(X) = \sum_{i=1}^n x_i \cdot p_i $
Für eine stetige Zufallsvariable (X) mit Dichtefunktion $f(x)$ ist der Erwartungswert definiert als:
$E(X) = \int_{-\infty}^{\infty} x \cdot f(x) \, dx $
Linearität: Der Erwartungswert ist linear, das heißt, für zwei Zufallsvariablen (X) und (Y) und Skalare (a) und (b) gilt:
$E(aX + bY) = aE(X) + bE(Y) $
Erwartungswert einer Konstanten: Der Erwartungswert einer konstanten Zufallsvariablen (c) ist die Konstante selbst:
$E(c) = c $
Additivität: Der Erwartungswert der Summe von Zufallsvariablen ist die Summe der Erwartungswerte:
$E(X + Y) = E(X) + E(Y) $
3.1 Diskrete Zufallsvariable
Beispiel: Ein Würfelwurf Die Zufallsvariable (X) ist die Augenzahl eines fairen sechsseitigen Würfels. Die möglichen Werte sind (1, 2, 3, 4, 5, 6), jeweils mit einer Wahrscheinlichkeit von (1/6).
$E(X) = 1 \cdot \frac{1}{6} + 2 \cdot \frac{1}{6} + 3 \cdot \frac{1}{6} + 4 \cdot \frac{1}{6} + 5 \cdot \frac{1}{6} + 6 \cdot \frac{1}{6} $
$E(X) = \frac{1 + 2 + 3 + 4 + 5 + 6}{6} = \frac{21}{6} = 3.5 $
Der Erwartungswert eines Würfelwurfs ist 3.5.
3.2 Stetige Zufallsvariable
Beispiel: Gleichverteilung Die Zufallsvariable (X) ist gleichverteilt im Intervall $[a, b]$ mit der Dichtefunktion $f(x) = \frac{1}{b-a}$ für $(a \leq x \leq b)$.
$E(X) = \int_{a}^{b} x \cdot \frac{1}{b-a} \, dx $
$E(X) = \frac{1}{b-a} \int_{a}^{b} x \, dx $
$E(X) = \frac{1}{b-a} \cdot \left[\frac{x^2}{2} \right]_{a}^{b} $
$E(X) = \frac{1}{b-a} \cdot \left(\frac{b^2}{2} - \frac{a^2}{2} \right) $
$E(X) = \frac{b^2 - a^2}{2(b-a)} = \frac{(b - a)(b + a)}{2(b - a)} = \frac{b + a}{2} $
Der Erwartungswert einer gleichverteilten Zufallsvariablen im Intervall $[a, b]$ ist der Mittelwert der Intervallgrenzen.
4.1 Glücksspiel: Im Glücksspiel wird der Erwartungswert verwendet, um den durchschnittlichen Gewinn oder Verlust pro Spielrunde zu berechnen. Dies hilft, die Fairness eines Spiels zu beurteilen.
4.2 Versicherung: Versicherungsunternehmen nutzen den Erwartungswert, um Prämien zu berechnen. Der erwartete Schadenswert wird als Grundlage für die Prämienfestsetzung verwendet.
4.3 Qualitätssicherung: In der Qualitätssicherung wird der Erwartungswert verwendet, um die durchschnittliche Qualität oder Fehlerquote eines Produkts zu bestimmen.
4.4 Finanzwesen: Im Finanzwesen wird der Erwartungswert verwendet, um den erwarteten Ertrag oder das Risiko einer Investition zu bewerten.
Übung 1: Diskrete Zufallsvariable Gegeben ist eine Zufallsvariable (X) mit den Werten 1, 2, 3 und den Wahrscheinlichkeiten (0.2, 0.5, 0.3). Berechne den Erwartungswert.
Lösung:
$E(X) = 1 \cdot 0.2 + 2 \cdot 0.5 + 3 \cdot 0.3 $
$E(X) = 0.2 + 1.0 + 0.9 = 2.1 $
Übung 2: Stetige Zufallsvariable Gegeben ist eine stetige Zufallsvariable (X) mit der Dichtefunktion $f(x) = 2x$ für $(0 \leq x \leq 1)$. Berechne den Erwartungswert.
Lösung:
$E(X) = \int_{0}^{1} x \cdot 2x \, dx$
$E(X) = \int_{0}^{1} 2x^2 \, dx $
$E(X) = 2 \cdot \left[\frac{x^3}{3} \right]_{0}^{1} $
$E(X) = 2 \cdot \frac{1}{3} = \frac{2}{3} $
Der Erwartungswert ist ein zentrales Konzept in der Statistik und Wahrscheinlichkeitstheorie, das hilft, den Durchschnittswert einer Zufallsvariablen zu bestimmen. Er hat zahlreiche Anwendungen in verschiedenen Bereichen wie Glücksspiel, Versicherung, Qualitätssicherung und Finanzwesen.